“Ich koche mal eben einen Kaffee”,
dieser kleine Satz hatte vor einiger Zeit heftige Folgen. Die kleine Wohnküche
sah nach meiner Aktion aus, als ob eine Kaffeebombe eingeschlagen hat.
Was passiert war? Eigentlich nicht viel. Ich hatte lediglich vergessen
die Dichtung in diese dickwandige, rundbäuchige, ursprünglich
silberfarbige italienische Kaffeemaschine einzulegen.
Die Maschine war komplett gereinigt
im antiken Kiefernholz-Schrank. Alle Einzelteile lagen dort beieinander,
bis auf... ja, eben bis auf die Dichtung. Diese Dichtung, die normalerweise
immer am Oberteil festhaftet. Ich wusste nicht einmal, das die Dichtung
mit dem Oberteil nicht fest verbunden ist. Was heisst: ich wusste nicht?
Bis zu diesem Tag wusste ich es nicht. Seit diesem Tag...
Seit diesem Tag reicht es, wenn
ich nur denke: “Jetzt ein frischer Kaffee”. Es reicht um meine gedankenlesende
italienische Frau, Claudia zu bewegen. Sie steht dann auf ...füllt
die Kaffeemaschine ...setzt diese auf den Herd ...dann kommt die Frage:
”Kaffee oder Cappuccino?” ...sie holt die Tassen, die weissen, schönen,
aus dem Schrank ...der Zucker für sie, der Honig für mich erscheint
wie von Geisterhand auf dem Tisch ...Minuten später ist der Espresso-Duft
im Raum ...die Milch wird erhitzt ...der Schäumer wird für die
Milch in Betrieb genommen ...der Kaffee oder Cappuccino steht auf dem Tisch
...ich kann einfach geniessen. Herrlich nicht wahr? Bin ich jetzt endlich
offen zum Macho geworden? Ist mein Pascha durchgekommen? ...mal sehen,
ob das so ist.
Heute ist es frisches, sonniges
Frühjahrs-Wetter da draussen. Wir essen wie selbstverständlich
im erst kürzlich angelegten Garten, in dem es noch viel zu tun gibt.
Die Sonne scheint schliesslich so schön. Nur der Ost-Wind bringt die
Kälte. Das Essen wird diesmal nicht übermässig ausgedehnt.
Mir ist ein wenig fröstelnd kalt und deswegen zieht es mich ins Haus.
Unsere “kleinen Öfen” wollen noch draussen verweilen. Man kann sie
auch anders nennen: “die Kaltbader”, unsere energievollen Kinder. Immerhin
eröffnen sie die Badesaison in der Regel im April. Andere Leute (manchmal
auch wir) stehen in voller Windschutzmontur fröstelnd am Strand und
die beiden baden fröhlich lachend. Mir wird jetzt schon wieder kalt,
wenn ich nur daran denke. Doch was ist heute?
Heute gehe ich einfach ins Haus
und so ganz nebenbei kommt mein Satz: “Ich koche mal eben einen Kaffee,
möchtest du auch einen?” “Oh, gern, danke, gern trinke ich einen mit”.
Habe ich da ein Lachen in der Stimme gehört? Also ich werde doch wohl
einen einfachen Kaffee zustande bringen. Schliesslich habe ich das schon
nach dem Kaffee-Bomben-Unglück erfolgreich durchgeführt. Doch
wird es diesmal auch gut?
Gut, damals in Hamburg-Rissen,
in der Eisdiele meiner heutigen Frau habe ich manchmal ganz schön
dumm herumgestanden. Die schöne Italienerin – das war die Bezeichnung
vieler Gäste - war irgendwo - war sie gerade in der Eisküche
oder im Keller? Von irgendwo kam die kleine Frage: “Kannst du mal eben
gucken? Da läuft gleich ein Cappuccino für den vorderen Tisch.”
Das war eine Auszeichnung damals, denn hinter die Bank, den Tresen und
dann an die Maschine, das war etwas besonderes. “Natürlich kann ich
mal eben gucken”, ich werde doch wohl so einfache Dinge hinbekommen, das
sind meine Gedanken. Doch gucken und guten Willen zeigen heisst nicht,
das ich für den Tisch da vorne auch einen Cappuccino fertigbringe.
Die Stammgäste sahen schon
zu mir herüber. Kennst Du diesen Blick: “der schafft das doch nicht”?
Dabei ist es doch so einfach. Im entscheidenden Moment an der Kaffeemaschine
stehen – kennst Du diese wunderbaren zischenden, blankgeputzten, italienischen,
natürlich manuell zu bedienenden? Diese Maschine war eine uralte “Gaggia”.
“Es kommt nicht auf die Maschine an, sondern auf das selbstverständlich
separate Mahlwerk, den Kaffee und den der ihn zubereitet. Hauptsache: keine
vollautomatische Kaffeemaschine ohne Seele”, das sind auch heute noch die
Worte, die alle aus der italienischen Eisdynastie meiner Frau so oder ähnlich
verlauten lassen. Also jetzt stehe ich hier an der “Gaggia”, genau in der
richtigen Sekunde, dann einfach warten bis etwa der Inhalt eines Espressos
in der Tasse ist. Während dieser Wartezeit kann ich schon mal die
Milch fürs Schäumen vorbereiten. Und dann nur noch mal eben den
Schaum fertigstellen ...den Schaum fertigstellen ...den Schaum ...den...
wie gesagt ganz einfach.
“Lass man, ich mache das mal
eben” und schon kam sie leicht tänzelnd an und rettete mich. Ihre
blitzschnellen Hände flogen hier und da hin, bedienten Schalter, drehten
Räder, Tassen wurden schnell aber behutsam versetzt, schüttelten
diesen dampfenden Milchbehälter mit der frisch geschäumten, dann
noch ein wenig Kakaopulver, der Löffel, der Zucker und als Abschluss
die zwei Cantuccini, die selbstgebackenen italienischen Kekse. Wie ich
sagte, oder?
Wie ich schon sagte, ganz einfach.
“Wenn Du willst, kannst Du die Cappuccini jetzt da vorne hinbringen” und
dazu ihr Lächeln. Dieses tiefgründige wissende Lächeln,
wie gesagt: heute ist sie meine Frau. Meistens habe ich abgelehnt die Gäste
zu bedienen, denn meinetwegen waren die nicht da. Die Gäste kamen
unter anderem wegen Claudia, ihres Lächelns und der mitfühlenden
“ein-wenig-Zeit-für-Dich-Worte”, die sie bei jedem Kontakt mit ihnen
austauschte. Ja, so und ähnlich lief es damals, doch jetzt willst
Du sicher wissen: was heute mit dem von mir zu kochenden Kaffee ist...
Inzwischen kann ich sogar unsere
kleine Kaffeemaschine sehr gut bedienen – so wie jetzt. Und ich bin hier
auch der rational denkende Mann mit dem Durchblick, der nicht ganz so viel
Wasser hineintut. Warum? Ganz einfach: damit dieses zischende, brodelnde
Hochdruckgerät nicht jedesmal überläuft, wenn man nicht
rechtzeitig da ist. Selbst die Milch für den Cappuccino kann ich mit
unserem manuellen Schäumer herstellen. Also ganz einfach das Gerät
säubern, eventuell noch den alten Kaffee heraus, Wasser in den unteren
Behälter... ich will Dich jetzt nicht noch mit Einzelheiten aufhalten.
Bei den Tassen unterscheide ich sogar für Claudia und mich. Sie hat
es gern eher mit der zarten Variante, ich mag lieber die grösseren
Gefässe, damit man mehr hinein bekommt, eben undenkbar für Claudia.
Während der Kaffee langsam brodelnd und gurgelnd fertig wird, kann
ich eigentlich einmal ein paar Minuten an den PC, der bei uns am Ende des
Wohnbereiches steht. Ob da wohl die Antwort per E-mail schon gekommen ist?
Wie Du kennst das auch: ...mal eben an den PC?
Kurze Zeit später, die Zeit
war irgendwie weg für mich, kommt ein umwerfendes Lachen von Claudia
mit Tränen in den Augenwinkeln in den Raum. Sie hat die grosse, von
mir bereitgestellte Tasse mit “meinem” Kaffee gefüllt. Das Lachen
meiner Frau wird begleitet vom aufgeregten Kinder-Lach-Chor des Tages.
Ich weiss nicht worüber die Lachen, noch nicht. Jetzt stellt sie die
Tasse hin und ich kann den Kaffee geniessen. Schön wenn man so gut
zusammenarbeitet, denn für sie ist inzwischen eine neue E-mail aus
Italien eingetroffen, die ich schon für sie ausdrucke. ...und jetzt
der von mir aufgesetzte Kaffee ...wie was ist das?
Jetzt verstehe ich das Lachen.
Das ist wohl der dünnste Kaffee, den ich je gesehen habe, denn es
fehlte wohl das Kaffeepulver. Lachend verlässt sie mich mit den Worten:
”Lass man, ich mach das mal eben. Kümmer du dich lieber um den PC”.
...und in der Küche höre ich das entfernte Geräusch der
überlaufenden Kaffeemaschine, doch sicher ist Claudia rechtzeitig
da, um den wunderbaren Espresso in die von ihr inzwischen sicher längst
bereitgestellten schönen weissen Tassen fliessen zu lassen. Grazie
bella.
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